Kulturnacht in der Petruskirche

Rede von Dr. Raimund Kast zur Vernissage der Lichtausstellung im Rahmen der Kulturnacht am 21.09.2024

Lichtinstallation Beate Gabriel: FIAT LUX 

In den kommenden Tagen zeigt die Künstlerin Beate Gabriel hier in der Petruskirche ihre Lichtinstallation „FIAT LUX, die das Kirchenschiff in Szene setzt und die Architektur des sakralen Raumes ganz neu erlebbar und erfahrbar macht.


Vielleicht zunächst einige Worte zur Künstlerin: 
Beate Gabriel kommt aus Giengen an der Brenz, wo sie auch heute noch lebt und arbeitet. Ihr Weg zur freischaffenden Künstlerin war kein geradliniger: zunächst machte sie eine Schreinerlehre – für ihr späteres künstlerisches Schaffen sicher eine gute Grundlage. Sie studierte dann Kunsterziehung und Germanistik für das Lehramt, an das sich ein Kunststudium an der Akademie der bildenden Künste in München bei Professor Gerd Winner anschloss.
Seit 1998 ist sie als freischaffende Künstlerin tätig und hat schon mehrfach in Ulm/Neu-Ulm ausgestellt, so bei der pro arte ulmer kunststiftung und ganz aktuell in Oberfahlheim, im Museum für bildende Kunst im Landkreis Neu-Ulm, wo noch bis zum 20. Oktober Malerei und Installation von Beate Gabriel gezeigt wird.

Die motivische Grundlage für Beate Gabriels abstrakte Malerei bilden pflanzliche und organische Strukturen. 
Ihre Malerweise ist gekennzeichnet durch einen Wechsel aus Transparenz und Undurchsichtigkeit. Breite Pinselzüge und schmale pastose Linienmalerei finden sich im Wechsel in ihren Arbeiten, reine Farben wechseln sich ab mit gedeckten Mischtönen.  Es ist eine Malweise, die mit differenzierten Farbmodulationen und organischen Strukturen spielt. Die Künstlerin arbeitet dabei mit einem Formenvokabular, das auf den ersten Blick gegenständlich erscheint, aber doch malerische Abstraktionen von Naturformen darstellt. Ihre floral anmutenden Werke sind keine Abbildungen von Blüten oder Pflanzen, vielmehr beschäftigt sich Beate Gabriel mit partiellen Pflanzenformen und Strukturen mit pflanzlichen Zellverbänden. Ein Bespiel dafür finden Sie an der großen Arbeit hier hinter dem Altar. Dabei hat sich ihre künstlerische Arbeit in den letzten Jahren immer stärker von der Bildfläche zum Raum hin erweitert – die Künstlerin hat den Schritt von der zweidimensionalen Malerei in den dreidimensionalen Raum hinein  gewagt.
Hier in der Petruskirche steht freilich ihre Lichtinstallation „Fiat Lux“ im Mittelpunkt, die sie erstmals 2017 im Kunstmuseum Heidenheim präsentiert hat.
Bei dieser Installation arbeitet die Künstlerin mit Tageslichtprojektoren – insgesamt sind es vier - welche die Muster von Kristallschalen in den Raum projizieren und damit unerwartet vielfältige pflanzliche Muster und Lichterscheinungen erzeugen. 

Dr. Kast erläutert
Bildrechte Barraud

Die Künstlerin war bei ihren Arbeiten auf Schalen und Gläser aus Kristall – oder Pressglas gestoßen, deren Muster oft Blüten- und Pflanzenformen imitierten und auf diese anspielen. Auf uns mögen diese kristallinen Formen heute antiquiert oder kitschig wirken, hier bekommen sie eine neue optische Qualität. Beate Gabriel legt diese Schälchen, Schüsselchen und Gläser – auch eine kristallene Zitronenpresse ist darunter – auf die Tageslichtprojektoren. So wird sichtbar, wie diese von Pflanzenformen inspiriert sind. Zugleich eröffnet die Korrespondenz der Kreisformen dieser Schalen und Schüsseln in dem gewölbten, von Jochen durchzogenen Kirchenraum eine ganz neue, spannungsreiche Seherfahrung. Da sich die Projektionen nicht nur an der Decke, und den Seitenwänden, sondern zugleich auch auf der eigens angebrachten großen Fahne reflektiert, entsteht ein komplexes Ineinander verschiedener Projektionen, durch die der Raum sehr vielschichtig wird. Auch von der Position des Betrachters und seinem Blickwinkel auf die Arbeit fällt die Betrachtung je nach Standort sehr unterschiedlich aus – ein rundes Objekt verzerrt sich ins Ovale, oder löst sich vollends in einen flüchtigen, stark verzerrten Schattenriss auf. Auch antworten die Lichtspiele das Rosettenfester an der Westfassade auf 
Zudem spielt die Installation mit den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Lichts. Denn die Projektionen bestehen nicht nur aus einfachen Hell-Dunkel-Kontrasten von Licht und Schatten, sondern setzen sich aus einer Vielfalt von Lichterscheinungen zusammen. Da findet sich eine reiche Palette unterschiedlicher Grautöne, gleißend helle Lichttöne, farbprismatische Auffächerungen und plastisch wirkende Formverläufe.

Im Kontext eines Kirchenraumes, in dem wir uns ja hier befinden, bekommt der Titel der Installation, „Fiat Lux“ freilich noch eine weitere Dimension.
Fiat Lux – Es werde Licht – die Künstlerin zitiert den Beginn der Genesis aus dem Buch Moses: 
„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
Und die Erde war wüst und öde, und Finsternis lag auf der Urflut, und der Geist Gottes bewegte sich über dem Wasser. Da sprach Gott: Es werde Licht! Und es wurde Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. 
Der Titel erinnert also auch an die alttestamentarische Schöpfungsgeschichte, an die Erschaffung von Tieren Pflanzen und den Menschen.
In einer Zeit, die von der immer stärkeren Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, von Umweltverschmutzung und Klimawandel, von Naturzerstörung und dem Aussterben von immer mehr Tier- und Pflanzenarten geprägt ist, bekommt der Titel Fiat Lux und die formale Verbindung mit pflanzlichen Formen eine ganz neue Bedeutung und sollte uns alle darüber zum Nachdenken bringen, wie wir mit unseren Lebensgrundlagen umgehen.

Bilder: Jean-Pierre Barraud
 

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